Im letzten Newsletter habe ich euch vor allem von meinem Leben erzählt und wie mein erstes Jahr am College in den USA verlaufen ist. In diesem Teil möchte ich vom Herbstsemester berichten: von meiner Saison, die im November zu Ende ging, von neuen Erfahrungen hier in den USA und davon, wie das College-Golf-System funktioniert – und welche Rolle ich darin spiele.
Bevor ich im August zurückflog, habe ich den Sommer in der Schweiz genutzt, um intensiv an mir zu arbeiten. Gemeinsam mit meinem Mentaltrainer habe ich über Ziele gesprochen. Für mich ist es wichtig, klare Etappen zu haben, weil sie Orientierung geben und Fortschritte sichtbar machen. Dazu gehört auch eine ehrliche Analyse: Was lief gut, was weniger gut, und woran möchte ich weiterarbeiten? Diese Reflexion hilft mir, meine Stärken auszubauen, Schwächen gezielt anzugehen und mein Training sinnvoll zu strukturieren.
Zurück in den USA startete ich mit einem klaren Plan in die Saison. Ich hatte zwei Hauptziele: Erstens wollte ich mich im Team an die Spitze spielen und die Nummer eins werden. Zweitens wollte ich mein Golfspiel so verbessern, dass ich nicht nur mithalte, sondern mich zunehmend an die Spitze spiele und erstmals richtig erlebe, wie es ist, um Turniersiege in den USA mitzuspielen. Technisch wusste ich, dass ich bereit bin – mental wollte ich in entscheidenden Momenten noch cooler und fokussierter werden. Denn am Ende wollen alle gewinnen.
Unser Team besteht aus acht Athletinnen. Für das interne Ranking spielten wir neun intensive Strokeplay-Qualifikationsrunden. Die addierten Scores bestimmen das finale Line-up im Team, nur die fünf stärksten Spielerinnen schaffen es ins Turnierteam. Oder wie die Amis sagen: “the top 5 are on the bus.”
Der Konkurrenzkampf ist hart, aber genau das macht uns besser. Während der Quali pushen wir uns gegenseitig zu unserem besten Golf. Auf dem Platz sind wir Konkurrentinnen, daneben ein echtes Team und gute Freunde. Diese Balance hinzubekommen, ist nicht immer leicht, aber unglaublich wertvoll.
Ich wusste: Wer am Ende die Nummer eins sein will, muss konstant spielen. Eine einzige schwache Runde kann dich sofort zurückwerfen. Par-Runden oder darunter sind ein grosser Vorteil. Ein Rundenschnitt von etwa 75 Schlägen reicht meistens, um unter den Top Five zu bleiben – aber nicht, um ganz vorne im Team zu stehen.
Nach soliden gespielten Qualifikationsrunden durfte ich mein erstes Turnier direkt als Nummer eins im Team starten – mein erstes Ziel war damit schneller erreicht, als ich gedacht hatte. Im Turnier zählt dann der Team-Score der Universität: Von fünf Spielerinnen werden täglich vier Scores gewertet, ein Resultat wird gestrichen. Es gibt also wenig Spielraum, und niemand möchte das Streichresultat sein.
Wir waren viel unterwegs – unter anderem in Missouri, Arkansas, Georgia und Tennessee. Insgesamt spielten wir sechs Turniere, meistens über drei Runden. Zu Beginn hatten wir als Team Mühe, über alle drei Tage konstant zu bleiben. Oft lagen wir nach zwei Runden gut im Klassement, verloren aber am dritten Tag entscheidende Schläge. Erst in den letzten beiden Turnieren gelang es uns, stabiler zu spielen und sogar Podestplätze zu holen. Auch ich hatte Turniere, in denen ich mir eine starke Ausgangslage am letzten Tag ruinierte. Im finalen Turnier der Saison konnte ich jedoch erstmals über alle drei Runden voll durchziehen, belegte den dritten Platz und spielte bis zum Schluss um den Sieg mit. Diese Erfahrung hat mir enorm viel Zuversicht gegeben. Ich habe realisiert, dass ich nicht nur mithalten, sondern auch gewinnen kann – wenn ich die gute Arbeit weiterverfolge.
Jetzt freue ich mich darauf, nach Weihnachten wieder voll einzusteigen. Die Frühlingssaison startet Mitte Januar in Texas und Florida, und ich kann es kaum erwarten, neue Bundesstaaten zu entdecken und mit meinem Team weiter anzugreifen.
Nicht nur auf, sondern auch neben dem Golfplatz hat sich viel verändert. Ich bin in eine WG mit drei anderen Athletinnen gezogen – und es ist unglaublich cool. Wir sind ein super Team, verstehen uns auch dann, wenn das Chaos mal ausbricht, weil wir viel unterwegs sind, und helfen einander, wo wir können. In die erste eigene Wohnung zu ziehen, war ein grosser Schritt für mich, aber eine Freiheit, die ich nicht mehr hergeben möchte. Mehr Verantwortung ist anstrengend, aber am Ende ein Privileg – besonders, seit mir zu Beginn des Semesters eine neue Rolle anvertraut wurde.
Es kam für mich überraschend: Als mich mein Headcoach nach den Sommerferien am Flughafen abholte, fragte er mich auf der Autofahrt, ob ich Team-Captain werden möchte. Ich wusste nicht genau, ob ich bereit bin, sagte aber spontan zu. Es brauchte etwas Zeit, bis ich meine Rolle wirklich verstanden hatte. In dieser Phase habe ich unglaublich viel gelernt – und lerne bis heute weiter. Als Captain geht es weniger ums Golfspiel selbst, sondern um die Menschen im Team: ihren Alltag, ihre Stimmung, kleine Hindernisse früh zu erkennen und Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Manchmal bittet mich mein Coach auch um meine Einschätzung, und das bedeutet mir viel.
Jetzt geniesse ich meine Winterpause in der Schweiz: Freunde treffen, Weihnachten feiern, neue Energie tanken – und mich gleichzeitig optimal auf die nächste Saison vorbereiten. Nicht ganz einfach in der kalten Schweiz, aber ich weiss, ich finde einen Weg. Die Kälte hat auch Vorteile: Ich habe mir vorgenommen, meine Skier wieder abzustauben und den blauen Himmel und frischen Pulverschnee zu geniessen. Mit meinem Mentaltrainer werde ich neue Ziele setzen und „zwischen den Ohren“ gut arbeiten. Diese Arbeit bringt immer wieder alles in eine gute Perspektive. Man realisiert, dass vieles leichter geht, wenn man es nicht zu ernst nimmt und einfach versucht, aus jedem Tag das Beste zu machen.
Ich wünsche euch allen eine wunderschöne Adventszeit, ein besinnliches Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Bis bald,
eure Tina


